Tierhalterinformationen

Epilepsie bei Hunden

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist das wiederholte Auftreten von unterschiedlich ausgeprägten Krampfanfällen. Von einem epileptischen Anfall spricht man, wenn es zu einer kurzen Störung der Hirnfunktion kommt, die sich durch das Auftreten abnormen Verhaltens äußert.

Hirnzellen erzeugen elektrische Signale, leiten sie weiter und empfangen ihrerseits Signale von anderen Zellen. Diese Signale werden verarbeitet und weitergeleitet. Signale, die zu stark sind, werden abgeschwächt. Bei einem Anfall handelt es sich um ein starkes elektrisches Signal von kurzer Dauer, das sich aufgrund des Umstandes, dass es nicht ausreichend abgeschwächt wird, im Gehirn ausbreiten kann. Hierdurch entstehen die Symptome, mit denen sich ein Anfall äußert. Die Ursache für die Störung in der Hirnaktivität kann eine Veränderung im Gehirn selbst sein. Sie kann aber auch in einer Störung außerhalb des Gehirns liegen, beispielsweise einer Stoffwechselerkrankung (z. B. Nierenfunktionsstörung oder Leberversagen). Häufig ist jedoch keine klare Ursache für das Auftreten der Anfälle zu finden.

Bei Epilepsie treten die Anfälle wiederholt und mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. Der Zeitraum zwischen den Anfällen ist bei jedem Tier unterschiedlich.

Ursachen und Formen der Epilepsie

1) Generalisierter Anfall – die elektrische Aktivität verbreitet sich aus einem Fokus über das gesamte Gehirn.

2) Fokaler Anfall – die elektrische Aktivität verbreitet sich zuerst nur über einen Teil des Gehirns (1 und 2). Es besteht jedoch die Gefahr der Ausbreitung über das gesamte Gehirn (Generalisation) (3).

Epilepsien können nach Ursache und nach Form unterschieden werden.

Ursache

Hier unterscheidet man zwischen der echten oder primären idiopathischen Epilepsie, für die keine Ursache festgestellt werden kann oder eine genetische Ursache vermutet wird, und der symptomatischen Epilepsie, der andere Grunderkrankungen zugrunde liegen können. Innerhalb der zuletzt genannten Gruppe unterscheiden wir zwischen zwei Formen: sekundäre (intrakranielle) Epilepsie, bei der die Ursache im Gehirn selber liegt, und reaktive (extrakranielle) Epilepsie, bei der die Ursache außerhalb des Gehirns liegt. Bei sekundärer und reaktiver Epilepsie muss das Ziel darin bestehen, die primäre Ursache für das Entstehen der Anfälle zu beseitigen. Leider ist es häufig nicht möglich, die genaue Ursache festzustellen.

Form

Beim Menschen unterscheidet man zwischen zahlreichen Epilepsieformen. Dies ist möglich, weil der Patient selbst seine Erfahrungen mitteilen kann. Bei Haustieren geht das nicht. Daher unterscheidet man bei Tieren nur zwischen einigen wenigen Krankheitsformen.

1) Generalisierte Krampfanfälle

Hier breitet sich ein elektrischer Impuls durch das gesamte Gehirn aus und es entsteht das Krankheitsbild, das man früher auch als „Grand Mal” bezeichnete. Bei einem solchen Anfall stürzt der „Grand Mal”-Patient zu Boden, wenn er nicht bereits auf der Seite liegt, und es kommt zur Bewusstlosigkeit. Anfänglich versteift sich der Patient und nachfolgend treten Krämpfe mit Laufbewegungen auf. Hierbei kann es zu unkontrolliertem Urin- und Kotabsatz kommen, einige Tiere haben Schaum vor dem Maul oder verlieren Speichel. Hin und wieder kann es zu Lautäußerungen wie Jaulen oder Schreien kommen, die jedoch nicht von Schmerzen herrühren.

2) Fokale Krampfanfälle

Das Wort fokal bezieht sich darauf, dass der Anfall nicht vollständig generalisiert auftritt. Er hat sich also von einem Teil des Gehirns nicht auf das gesamte Gehirn ausgedehnt. Bei den fokalen Krampfanfällen nimmt man auf bestimmte Körperteile begrenzte Veränderungen am Tier wahr. Beispielsweise wird nur eine Pfote hochgezogen. Diese Form gliedert sich in zwei Unterformen: die einfach fokalen Krampfanfälle, bei der der Patient bei Bewusstsein bleibt (z. B. nur Krampf in einer Pfote + Verziehen der Lippen) und die komplex fokalen Krampfanfälle, bei der Bewusstseinstörungen auftreten. Die fokalen Krampfanfälle können Vorläufer von generalisierten Krampfanfällen sein und genau wie diese vererbt werden.

Erscheinungs­bild der Epilepsie

Idiopathische Epilepsie

Idiopathische Epilepsien kommen bei Hunden relativ häufig vor, wobei sowohl Rassehunde als auch Mischlinge betroffen sind. Bei bestimmten Rassen (u. a. Golden- und Labrador Retriever, Beagle, Collie, Pudel, Berner Sennenhund, Schäferhund) und damit auch bei Kreuzungen dieser Rassen tritt die Krankheit häufiger auf. Inzwischen wurde bei einigen Rassen nachgewiesen, dass Epilepsie erblich ist, bei vielen anderen vermutet man dies. Bei einigen Rassen herrscht die fokale Form vor, bei anderen wiederum die generalisierte.

Epilepsie ist als chronische Erkrankung geschlechtsunabhängig und tritt bei Hündinnen genauso häufig auf wie bei Rüden. Bei Hündinnen ist mitunter eine Zunahme der Anfallshäufigkeit während der Läufigkeit zu beobachten. Bei idiopathischer Epilepsie werden die ersten Anfälle meist (aber nicht immer) im Alter von ½ bis 5 Jahren beobachtet. Nach einiger Zeit (mitunter Monaten) folgen weitere Anfälle. Auffällig ist, dass der Zeitraum zwischen den Anfällen im Laufe der Zeit zumeist kürzer wird und danach mehr oder weniger konstant bleibt (durchschnittlich beträgt die Zeit zwischen zwei Anfällen dann 2 bis 6 Wochen).

 

Bei manchen Hunden kann sich die Anzahl der Anfälle auf einige wenige pro Jahr beschränken, bei anderen wiederum kann es etwa wöchentlich zu Anfällen kommen. Hier ist jedoch anzumerken, dass das Unterlassen einer Behandlung zu einer Zunahme der Anfälle führen kann. Wenn die Anfälle immer häufiger auftreten, können diese Anfälle die darauffolgenden früher entstehen lassen. Ein englischer Begriff für dieses Phänomen heißt „seizure kindling“, d. h. Anfachen von Anfällen. Im höheren Lebensalter kann bei einigen Hunden die Anzahl der Anfälle wieder abnehmen, mitunter beobachtet man in den letzten Lebensjahren keine oder nur sehr wenige Anfälle.

Bei idiopathischer Epilepsie scheint der Zustand des Hundes zwischen zwei Anfällen normal zu sein. Meist ist kein bestimmter äußerer Auslöser für einen Anfall erkennbar. Auffällig ist, dass die Anfälle nahezu immer im Haus, also in der vertrauten Umgebung stattfinden. Sie treten vor allem in Ruhezeiten auf (abends, nachts, früh morgens). Es besteht kein Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung. Allerdings können starke Emotionen Krampfanfälle auslösen (z. B. Freude, Angst, Stress).

Sekundäre und reaktive Epilepsie

Bei sekundärer und reaktiver Epilepsie fällt der Beginn meist in ein anderes Lebensalter als bei primärer Epilepsie. Dies liegt daran, dass die Ursache häufig angeboren ist oder im späteren Lebensalter erworben wird. Auch sekundäre und reaktive Epilepsie können bei bestimmten Rassen häufiger vorkommen (angeborene, erbliche Abweichung). Es besteht häufig eine Verbindung zwischen dem Auftreten eines Anfalls und Ernährung, Anstrengung und/oder Aufregung. Darüber hinaus ist es möglich, dass das Tier in den Zeiträumen zwischen den Anfällen Verhaltensänderungen zeigt.

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Wie sieht ein Anfall aus?

Das Erscheinungsbild eines Anfalls kann von Tier zu Tier stark unterschiedlich sein. Beim einzelnen Hund sind die Anfälle einander ähnlich. Der generalisierte Anfall verläuft meist in drei Phasen:

1. Die Aura und einleitende Phase vor einem Anfall

In der Zeit kurz vor einem Anfall zeigt das Tier ein verändertes Verhalten. Es ist unruhig, anhänglich und hat einen merkwürdigen Blick in den Augen. Das Tier will nach draußen (teils auch umgekehrt: es strebt nach drinnen) – kurz: es verhält sich anders als normal. Diese einleitende Phase kann ein paar Minuten bis einige Tage dauern. Bei Menschen ist die Aura eine Zeit, in welcher Patienten vor dem Anfall ungewöhnliche Wahrnehmungen verspüren, sie riechen oder hören zum Beispiel etwas Unnormales oder bekommen starke Angstgefühle. In der Weise können wir bei Hunden natürlich keine Aura erkennen, aber aufgrund des Verhaltens der Hunde ist häufig anzunehmen, dass etwas dieser Art auch bei Hunden stattfindet. Die eigentliche Aura in dieser Form dauert häufig nur wenige Sekunden bis Minuten an.

2. Der Iktus oder eigentliche Anfall

Der Iktus beginnt meist mit dem Umfallen des Tieres. Anschließend tritt eine Art Versteifung durch lang anhaltende Krämpfe von Pfoten und Körper auf, der eine Entspannung mit kurz anhaltenden Krämpfen folgt. Der Hund kann während des Anfalls das Bewusstsein verlieren. Die gesamte Dauer des Iktus beträgt meist nur wenige Minuten, obgleich das sehr lang erscheinen kann. Während des Iktus kann das Tier Urin und Kot verlieren und heftig speicheln. Dies ist unabhängig von der Schwere des Anfalls. Zungenbisse, wie sie beim Menschen vorkommen, werden bei Hunden nur selten beobachtet.

3. Die postiktale Phase oder der Zeitraum nach dem Anfall

Nachdem sie wieder zu sich gekommen sind und sich aufgerappelt haben, sind die meisten Hunde ziemlich „außer Fassung“. Sie sind desorientiert (Gedächtnisverlust!), können schlecht sehen und sich nur mit Mühe bewegen. Häufig sind sie nun hungrig und durstig. Einige Hunde sind während dieser Phase extrem unruhig und laufen rastlos im Haus hin und her. Die postiktale Phase kann wenige Sekunden, aber auch einige Tage (und mitunter Wochen) dauern. Je mehr Anfälle der Hund innerhalb eines oder mehrerer Tage gehabt hat, desto länger kann die postiktale Phase andauern. Während dieser Phase muss man sich dem Hund vorsichtig nähern. Er weiß manchmal nicht, wo er ist, wer sein Frauchen oder Herrchen ist, und scheint vorübergehend blind zu sein. Eine unerwartete Annäherung könnte dann zu einer Schreckreaktion und möglicherweise zu unbeabsichtigter „Aggression“ mit Bissgefahr führen. Neben dieser allgemeinen Form gibt es auch verschiedenste andere Formen, die sich auf unterschiedliche Weise äußern können (z. B. zuckende Kopfbewegungen, Schnappen nach Fliegen, Hochziehen der Pfoten).

Untersuchung des Epilepsiepatienten

Wenn Ihr Hund zum ersten Mal einen Epilepsieanfall erlitten hat, sollten Sie sich am besten an Ihre Tierarztpraxis wenden. Es kann sein, dass es beispielsweise durch eine gründliche klinische Untersuchung und Blutanalyse möglich ist, eine Ursache für den Anfall festzustellen. Leider sind die Möglichkeiten zum Aufspüren von Abweichungen im Gehirn begrenzt und nicht ganz preiswert. Wenn häufiger Anfälle auftreten, ist es sehr sinnvoll, eine Filmaufnahme eines Anfalls anzufertigen, denn meist ist der Anfall vorbei, wenn die Tierärztin/der Tierarzt Ihren Hund sieht. Eine digitale Aufnahme (z. B. via Smartphone) ist eine gute Ergänzung zu Ihrem Bericht. In einigen Fällen kann es vorkommen, dass Ihre Tierarztpraxis Sie an einen Spezialisten weiterverweist. Gründe dafür können sein, dass der Bericht nicht mit dem „normalen“ Verlauf übereinstimmt oder weil eine genauere Untersuchung (CT-Scan, MRT-Scan oder Szintigraphie) notwendig ist.

Behandlung der Epilepsie beim Hund

Eine Behandlung ist erst dann sinnvoll, wenn klar ist, mit welcher Regelmäßigkeit die Anfälle auftreten. Daher ist es auch nicht immer sinnvoll, nach einem ersten Anfall sofort eine anti-epileptische Behandlung einzuleiten. Es kann ja durchaus bei einem einzigen Anfall bleiben und das Ergebnis einer Behandlung ist nur dann feststellbar, wenn die Regelmäßigkeit, mit der Anfälle auf­treten, vor dem Beginn der Behandlung bekannt ist. Ihre Tierärztin/Ihr Tierarzt kann im Einzelfall von dieser Regel abweichen, z. B. wenn es sich um eine Rasse handelt, bei der Epilepsie sehr häufig und mit schwerem Verlauf vorkommt. Eine Behandlung führt nicht immer dazu, dass Anfälle vollständig verschwinden. Von einer guten Wirkung der Therapie kann bereits gesprochen werden, wenn die Zeit zwischen den Anfällen zunimmt, sowie die Schwere und Anzahl der Anfälle abnehmen. Eine solche Wirkung kann durch eine korrekte Dosierung der Medikamente erreicht werden. Sie wird für jeden Patienten individuell mittels Ausprobieren festgelegt. Normalerweise wird mit der Anfangsdosis begonnen, sobald die Zeit zwischen den Anfällen bekannt ist. Sie muss über einen bestimmten Zeitraum unverändert beibehalten werden, damit man die Wirkung der Behandlung feststellen kann. Gegebenenfalls sind Blutspiegelkontrollen des Antiepileptikums notwendig. Ist die Wirkung nicht ausreichend, wird die Dosierung erhöht und die Wirkung erneut bewertet.

Hier ein Beispiel: Ein Hund hat während der letzten Monate ca. alle 3 – 4 Wochen einen Tag mit einem oder mehreren Anfällen. Die Anfangsbehandlung muss dann mindestens 4 Wochen dauern, damit man eine Wirkung feststellen kann. Ist die Wirkung nicht ausreichend, wird die Dosierung erhöht und die Wirkung wiederum über mindestens 4 Wochen beobachtet. So kann es mehrere Monate dauern, bevor klar wird, ob eine Besserung eingetreten ist.

Ein Hund mit Epilepsie erfordert viel Fürsorge und Aufmerksamkeit von seinen Besitzern. Auch die Einstellung der richtigen, individuellen Dosierung verlangt viel Geduld und Einsatz von Ihnen als Herrchen oder Frauchen. Aber wenn Ihr Hund erst einmal gut auf die Therapie anspricht, entschädigt dies für die Mühe.

Ziel der Behandlung

Wie bereits beschrieben, wird eine Behandlung nicht immer dazu führen, dass Anfälle komplett verhindert werden. Eine gute Behandlung wird zur Folge haben, dass Häufigkeit, Schwere und Dauer der Anfälle abnehmen. Obgleich der eigentliche Anfall oft als das Bedrohlichste empfunden wird, scheint es in einigen Fällen so zu sein, dass eine langwierige postiktale Phase (= der Zeitraum nach dem Anfall) als unangenehmer für das Tier angesehen werden muss. Daher ist es wichtig, die Dauer des gesamten Anfalls mit Hilfe einer Behandlung zu verkürzen.

Worauf bei der Behandlung zu achten ist

  • Plötzliche Änderungen, wie Einstellen der Behandlung, Vergessen einer Behandlung, plötzlicher Wechsel der Dosierung bzw. des Medikaments sind möglichst zu vermeiden. Diese Art von Veränderungen kann das Entstehen von Anfällen fördern und erfordert tierärztliche Kontrolle.
  • Es kann einige Zeit dauern, bis ein Patient gut eingestellt ist. Leider gibt es auch Hunde, die auf eine Behandlung nicht ansprechen. Glücklicherweise ist dies nur selten der Fall.
  • Veränderungen in der täglichen Lebensführung können das Auftreten von Anfällen fördern. Jedoch rufen Anstrengungen an sich keine Anfälle hervor. Daher ist es auch kein Problem, wenn Sie mit Ihrem Hund z. B. einen Kurs besuchen, außer wenn Ihre Tierärztin/Ihr Tierarzt etwas Anderes anordnet.
  • Ein Hund mit Epilepsie ist bestimmten Narkosemitteln und anderen Arzneimitteln gegenüber empfindlicher. Geben Sie darum bei jedem Tierarztbesuch an, dass Ihr Hund Epilepsie hat und welche Behandlung er bereits erfährt.
  • Führen Sie ab dem Zeitpunkt, an dem bei Ihrem Hund Epilepsie diagnostiziert wurde, täglich Tagebuch über Verlauf der Anfälle sowie wichtige Besonderheiten (z. B. Medikament vergessen oder erbrochen, Besuch, Hund unruhig). Mit einem gut geführten Tagebuch kann der Behandlungserfolg besser beurteilt werden und es können auslösende Faktoren für die Anfälle Ihres Hundes festgestellt werden.
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Medikamente gegen Epilepsie

Bei Hunden ist nur eine begrenzte Anzahl von Medikamenten für die Behandlung der Epilepsie einsetzbar. Viele Mittel, die beim Menschen verwendet werden können, werden beim Hund so schnell aufgenommen und wieder ausgeschieden, dass ihr Einsatz nicht sinnvoll ist. Bei Hunden werden Phenobarbital, Imepitoin und Kaliumbromid am häufigsten zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt.

Phenobarbital

Phenobarbital kann in den ersten Wochen der Behandlung Benommenheit und Müdigkeit hervorrufen. Wenn dies nach ein paar Wochen nicht vorübergeht, ist eine Senkung der Dosierung oder eine Therapieumstellung sinnvoll. Bei Tieren, die mit Phenobarbital behandelt werden, wird häufig auch eine Zunahme des Appetits sowie des Trinkens und Urinierens beobachtet. Phenobarbital wird von der Leber abgebaut. Nebenwirkungen bestehen deshalb auch hauptsächlich in Erkrankungen der Leber. Leberentzündung (Hepatitis) ist eine Komplikation, die jedoch selten vorkommt. Manche Hunde können unter Phenobarbital auch ein übertrieben lebhaftes Verhalten zeigen. Wenn dies störend wird, ist ein Wechsel zu einem anderen Mittel oder eine Verringerung der Dosierung ratsam. Dosisveränderungen dürfen nur in Absprache mit Ihrer Tierarztpraxis erfolgen. Aus diesem Grund sollten die Blutwerte Ihres Hundes halbjährlich untersucht werden. Hierbei werden u. a. Leberwerte, ggf. Gallensäuren, und der Blutspiegel von Phenobarbital untersucht. Irgendwann hat die weitere Erhöhung der Dosierung nur noch eine geringe Wirkung und führt nur zu mehr Nebenwirkungen. Dann kann man sich für den Wechsel zu einem anderen Mittel oder die Kombination z. B. mit Kaliumbromid (sogenannte Add-on Therapie) entscheiden.

Imepitoin

Imepitoin ist ein relativ neuer Wirkstoff in der Epilepsiebehandlung bei Hunden. Es darf nicht bei Tieren mit schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung oder schweren Herz-Kreislaufstörungen angewendet werden. Bei bestimmten Epilepsieformen kann das Ansprechen des Hundes auf Imepitoin unterschiedlich sein und die Wirksamkeit ist hier möglicherweise begrenzt. Unter der Behandlung werden einige Hunde anfallsfrei, einige zeigen eine Reduzierung der Anfallshäufigkeit, während andere nicht auf die Behandlung ansprechen. Die häufigsten, meist milden Nebenwirkungen sind Bewegungsstörungen, Erbrechen und vermehrter Appetit zu Beginn der Behandlung sowie Benommenheit bzw. Schläfrigkeit.

Kaliumbromid

Kaliumbromid wird schon seit Jahren sowohl beim Menschen als auch beim Hund angewendet. Es kommt insbesondere bei Hunden zum Einsatz, die auf Phenobarbital nicht genügend ansprechen bzw. dieses nicht vertragen. In seltenen Fällen, z. B. bei Lebererkrankungen, kann Kaliumbromid auch als alleinige Therapie eingesetzt werden. Auch für Kaliumbromid sind eine Reihe von Nebenwirkungen wie Benommenheit, Hautentzündungen und Hinterhandschwäche bekannt. Kaliumbromid baut nur sehr langsam einen Blutspiegel auf. Eine Kontrolle der Wirkung dieses Mittels kann daher erst nach 2–3 Monaten stattfinden. Kaliumbromid wird über die Nieren verstoffwechselt. Patienten mit Nierenproblemen müssen daher eine angepasste Dosierung erhalten. Eine weitere mögliche Nebenwirkung von Kaliumbromid wird Bromismus genannt. Hierbei treten beim Patienten bestimmte Störungen des Nervensystems, wie z. B. stark schwankender, „betrunkener“ Gang auf. Diese Nebenwirkung kann jedoch in vielen Fällen durch Ihren Tierarzt behandelt und abgemildert werden. Wichtig ist auch hier die halbjährliche Kontrolle der Blutwerte und des Kaliumbromid-Spiegels im Blut.

Bei der Therapie mit Kaliumbromid ist es erforderlich, auf eine konstante Kochsalzzufuhr zu achten, da Kochsalz die Aufnahme und Ausscheidung von Kaliumbromid beeinflusst. Aus diesem Grund sollte die Fütterung stark salzhaltiger Leckerli, wie z. B. Wurst, oder eine plötzliche Futterumstellung vermieden werden.

Sollten Sie unter der Therapie die beschriebenen oder andere Nebenwirkungen, wie z. B. Magen-Darm-Probleme, bei Ihrem Tier beobachten, wenden Sie sich bitte umgehend an Ihre/n behandelnde/n Tierärztin/Tierarzt.

Blutuntersuchung

Bei einer Langzeitbehandlung mit Antiepileptika ist es empfehlenswert, regelmäßig Blutkontrolluntersuchungen durchführen zu lassen, damit u. a. rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und die Leberfunktion beurteilt werden können. Auch kann je nach Situation, z. B. wenn das Mittel in der richtigen Dosierung gegeben wird, aber nicht zu wirken scheint, oder wenn ein Medikament über lange Zeit verabreicht wird, der Blutspiegel des Wirkstoffs bestimmt werden.

Blutproben zur Bestimmung der Wirkstoffkonzentrationen im Blutserum können in verschiedene Veterinärlabore und in Labore von Epilepsiezentren für Menschen geschickt werden. Bei der Bestimmung des Blutspiegels von Phenobarbital empfiehlt es sich in der Regel, kurz vor der nächsten Verabreichung des Medikamentes Blut abzunehmen.

Besondere Anfallsformen

Epilepsie an sich ist zuerst einmal keine lebensbedrohliche Erkrankung. Ihr Hund kann damit genauso alt werden wie ein Tier, das keine Epilepsie hat. Wichtig ist aber, dass Sie zwei besondere Formen der Epilepsie kennen:

Clustering: Hierbei handelt es sich um eine Serie von Anfällen an einem Tag, die nicht durch eine erkennbare postiktale Periode unterbrochen werden.

Status epilepticus: Hierbei handelt es sich um einen Anfall, der länger als einige Minuten andauert, beispielsweise eine Viertelstunde oder noch länger.

Wenn ein Anfall zu lange dauert oder Anfälle in raschem Tempo aufeinander folgen, kann die Sauerstoffversorgung des Gehirns gefährdet werden oder die Körpertemperatur zu stark ansteigen. Da hier Lebensgefahr für den Hund bestehen kann, muss in solchen Fällen schnell eingegriffen werden. Die Tierärztin/der Tierarzt kann Diazepam oder Phenobarbital direkt in die Blutbahn spritzen, um den Anfall zu stoppen. Außerdem besteht die Möglichkeit, über den After (rektal) eine speziell entwickelte Rezeptur von Diazepam in den Enddarm einzubringen (Klistier). In Absprache mit Ihrer Tierarztpraxis können Sie dieses Produkt in Notfällen selbst verabreichen. Tabletten auf Diazepambasis sollten während eines Anfalls besser nicht gegeben werden, da Bissverletzungen möglich sind.

Wie bereits erläutert, verläuft ein Anfall bei jedem Patienten nach einem mehr oder weniger festen Muster. Dementsprechend kommen Clustering und Status epilepticus häufig nur bei bestimmten Patienten vor. Wenn bei einem solchen Patienten die Vorzeichen für einen Anfall weit vorher wahrnehmbar sind (Tagebuch!), kann in Absprache mit der Tierärztin/dem Tierarzt entschieden werden, die Dosierung des Epilepsiemittels an bestimmten Tagen zu erhöhen, sobald sich die ersten Erscheinungen eines bevorstehenden Anfalls bemerkbar machen.

Was ist bei einem Anfall zu tun?

Während eines Anfalls sollten Sie so wenig wie möglich tun! Einen Anfall, der einmal begonnen hat, können Sie nicht mehr stoppen. Versuchen Sie vor allem, ruhig zu bleiben und nicht in Panik zu geraten. Das einzig Sinnvolle, das Sie tun können, ist dafür zu sorgen, dass sich der Hund nicht verletzt. Mitunter wird berichtet, dass ein Hund während eines Anfalls aggressiv wird. Dies wird meist dadurch verursacht, dass man versucht, den Hund während eines Anfalls festzuhalten. Der Hund macht jedoch unbewusste, ungesteuerte Bewegungen. Wenn der Hund mit dem Kopf zuckt und/oder den Zähnen klappert, läuft man Gefahr, gebissen zu werden, wenn man versucht, den Kopf festzuhalten. Das Eingeben von Tabletten während eines Anfalls ist somit gefährlich – sowohl für Herrchen oder Frauchen als auch für den Hund. Gegebenenfalls kann ein Diazepam-Klistier rektal gegeben werden. Einige Hunde werden ruhig, wenn Sie sanft zu Ihnen sprechen.

Wie Sie helfen können

Damit die beste Behandlung für Ihren Hund gefunden werden kann, sollte Ihre Tierärztin/Ihr Tierarzt die Zahl der Anfälle, die Zeiten, zu denen Anfälle stattfinden und deren Verlauf kennen. Bei dieser wichtigen Aufgabe können Sie Ihre Tierarztpraxis unterstützen, indem Sie selbst sorgfältig ein Epilepsie-Tagebuch führen und vielleicht Videos des Anfalls z. B. mit Ihrem Smartphone aufzeichnen.


Wichtig sind folgende Punkte:

  • Notieren Sie sowohl schwere als auch weniger schwere Anfälle.
  • Tragen Sie die Summe der Anfälle ein, die an einem Tag auftreten.
  • Notieren Sie jede Veränderung bei der Behandlung (Beispiele: Medikament vergessen; Dosierung geändert; anderes Mittel gegeben; andere Tageszeit bei der Verabreichung, etc.). Tragen Sie auch Verhaltensänderungen oder sonstige Auffälligkeiten ein.
  • Bringen Sie das Epilepsie-Tagebuch und evtl. aufgenommene Videos zu Ihrem nächsten Tierarztbesuch mit. Gemeinsam können Sie dann den Krankheitsverlauf bewerten.


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Durch regelmäßige Untersuchungen, eine zeitnahe Anpassung der medikamentösen Therapie und eine sorgfältige häusliche Pflege tragen Sie maßgeblich dazu bei, die langfristige Lebensfreude und Gesundheit Ihres Hundes trotz Epilepsie zu erhalten.




Bitte beachten:

  • Sorgen Sie dafür, dass Bezeichnung und Dosierung der Medikamente im Pass Ihres Hundes eingetragen sind.
  • Geben Sie vor einer Operation immer an, dass Ihr Tier Epilepsie hat. Sie sollten dies auch angeben, wenn Sie eine andere als Ihre feste Haustierarztpraxis konsultieren.

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